Beurteilung der Erwerbsminderung bei Epileptikern
Das Bundessozialgericht hat am 12.12.2006 (Az. B 13 R 27/06 R) ein Urteil gesprochen, welches auf die Beurteilung der Erwerbsminderung hinsichtlich eines Anspruchs auf Erwerbsminderungsrente (Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung) eingeht.
Hintergrund
Entschieden wurde über einen Antrag einer 1971 geborenen Versicherten der Gesetzlichen Rentenversicherung. Die Versicherte leidet bereits seit ihren Kinderjahren an epileptischen Anfällen, hat jedoch eine berufliche Ausbildung zur staatlichen Masseurin und medizinischen Bademeisterin absolviert. Zuletzt war die Versicherte als Reinigungskraft beschäftigt und in dieser Beschäftigung rentenversicherungspflichtig. Im April 2002 beantragte sie eine Rente wegen Erwerbsminderung, die vom zuständigen Rentenversicherungsträger abgelehnt wurde. Nach dessen Ansicht bestand kein Anspruch auf die beantragte Rente, da trotz der Epilepsie noch leichte bis mittelschwere Arbeiten im Umfang von mehr als sechs Stunden täglich verrichtet werden können.
Mit der Ablehnung der Rente begann für die Versicherte ein langer Klageweg. Denn das zuständige Sozialgericht hat sich der Auffassung der Rentenkasse angeschlossen, so dass als nächste Instanz das Landessozialgericht über den Antrag entscheiden musste.
Das Landessozialgericht hat ein neuropsychologisches Zusatzgutachten anfertigen lassen und aufgrund dieses Gutachtens ebenfalls keinen Anspruch auf die beantragte Erwerbsminderungsrente gesehen. Die Richter des LSG sahen keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die einen Rentenanspruch herleiten. Von der möglichen Revision – die das Landessozialgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ausdrücklich zugelassen hat - zum Bundessozialgericht machte die Klägerin daraufhin ebenfalls Gebrauch.
Begründung der Klägerin
Die Klägerin beanstandete mit ihrer Revision zum Bundessozialgericht, dass die bei ihr vorliegende eingeschränkte Wegefähigkeit nicht berücksichtigt wurde. Wie bereits gutachterlich festgestellt wurde, kann sie bei epileptischen Anfällen keine Wegstrecke von mehr als 500 Metern zurücklegen. Daher benötige sie auch im Straßenverkehr stets eine Begleitung, was durch das Merkzeichen „B“ in ihrem Schwerbehindertenausweis auch dokumentiert ist.
Nachdem der Rentenversicherungsträger beim Bundessozialgericht weiterhin beantragt hatte, dass die Zuerkennung der Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt wird, mussten die Richter des höchsten Sozialgerichtes ein Urteil sprechen.
Urteil des Bundessozialgerichts
Die Richter des Bundessozialgerichts (BSG) konnten aufgrund der Feststellungen, die insbesondere das Landessozialgericht getroffen hatte, nicht abschließend über den Fall entscheiden. Ob ein Recht auf eine Erwerbsminderungsrente besteht kann nur dann beurteilt werden, wenn die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit, die durch das Anfallsleiden ausgelöst wird, feststeht. Dies wird auf der einen Seite nach der Häufigkeit eines epileptischen Anfalls, auf der anderen Seite nach der Art und Schwere der Epilepsieanfälle bestimmt.
Da sich das Landessozialgericht auf ein Sachverständigengutachten stützte, das die Epilepsieanfälle der Klägerin als große Anfälle bezeichnete, sahen die Bundesrichter nicht als ausreichend an. So wurde zum Beispiel nicht geklärt, in welcher Art und Weise sich die epileptischen Anfälle ankündigen, wann sie stattfinden – z. B. im Schlaf, tagsüber, beim Aufwachen, ... – wie lange die Anfälle dauern und wie lange die Orientierungs- und Bewusstseinsstörungen bei der Klägerin gegeben sind. Zudem vermissten die Richter eine Aussage darüber, ob die Anfallsfrequenz durch eine bessere medikamentöse Einstellung verbessert werden kann.
Auch Wegefähigkeit konnte nicht beurteilt werden
Das Bundessozialgericht konnte aufgrund der vorliegenden Unterlagen auch nicht über die von der Klägerin geltend gemachten eingeschränkten Wegefähigkeit entscheiden. Hierfür müssten Feststellungen vorliegen, die die Schwere und die Häufigkeit der Epilepsieanfälle dokumentieren und eine entsprechende Prognose abgeben. Nur mit diesen Feststellungen kann die Frage der eingeschränkten Wegefähigkeit beantwortet werden.
Weitere Ermittlungen durch LSG nötig
Aufgrund der unzureichenden Datenlage, die dem Bundessozialgericht vorliegen, muss nun zu den aufgeworfenen Fragen wieder das Landessozialgericht Ermittlungen anstreben. Erst dann kann über die Erwerbsminderungsrente der Klägerin entscheiden werden.
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