Elektrosensibilität

Urteil Bayerisches Landessozialgericht vom 08.09.2020, L 13 R 102/18

Mit Urteil vom 08.09.2020 hatte sich das Bayerische Landessozialgericht (Az. L 13 R 102/18) mit der Frage beschäftigt, ob bei einer Klägerin ein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente (EM-Rente) gegeben ist. Die Klägerin sah für sich die Voraussetzungen für den Rentenanspruch, da sie an einer Elektrosensibilität leidet, welche zu Schlafstörungen und in Folge derer zu ausgeprägten Müdigkeits- und Erschöpfungszuständen führen.

Was ist eine „Elektrosensibilität“?

Menschen, die unter einer Elektrosensibilität leiden, nehmen elektrische, magnetische oder auch elektromagnetische Felder wahr. Die Betroffenen leiden nach ihren eigenen Aussagen bei einer „Elektrosensibilität“ unter anderem an Schlafstörungen, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen.

Nachdem die Betroffenen die Elektrosensibilität zunächst auf die niederfrequenten elektrischen und magnetischen Felder zurückgeführt haben, treten nun auch die hochfrequenten Felder – die durch den Mobilfunk verursacht werden – in den Vordergrund. Die Studien, die es über die Elektrosensibilität, dem sogenannten Elektrosmog, gibt, können die Beschwerden der Betroffenen objektiv bislang nicht bestätigen.

Zum Klagefall

In dem vom Bayerischen Landessozialgericht zu beurteilenden Klagefall leidet die Klägerin an ausgeprägten Müdigkeits- und Erschöpfungszuständen, die sie auf eine Elektrosensibilität zurückführt. Die Folgen der Müdigkeits- und Erschöpfungszustände führen dazu, dass eine Erwerbstätigkeit von mindestens drei Stunden täglich nicht mehr verrichtet werden kann.

Die Pflegekasse hatte für die Klägerin bereits den Pflegegrad 2 bestätigt.

Nachdem die Klägerin bei ihrer zuständigen Rentenkasse einen Antrag auf eine volle Erwerbsminderungsrente gestellt hatte, holte diese zunächst unterschiedliche Befundberichte ein. Die medizinischen Sachverständigen der Rentenkasse bestätigten schließlich, dass objektiv gesehen die letzte Tätigkeit als Erzieherin, wie auch jede andere Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, noch vollschichtig ausgeübt werden kann.

Gegen die Ablehnung der Erwerbsminderungsrente seitens der Rentenkasse klagte die Versicherte zunächst beim zuständigen Sozialgericht. Dieses bestätigte die Entscheidung der Rentenkasse, weshalb Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt wurde.

Berufung war ebenfalls nicht erfolgreich

Auch das Bayerische Landessozialgericht schloss sich mit Urteil vom 08.09.2020 (Az.: L 13 R 102/18), welches ohne mündliche Verhandlung erging, der Entscheidung der Rentenkasse und des Sozialgerichts an und wies die Berufung zurück.

Nach den eingeholten und vorliegenden Gutachten liegt keine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens vor, welches einen Anspruch auf die beantragte Erwerbsminderungsrente begründet. Dabei führten die Richter aus, dass die Schlafstörungen, welche durch eine Elektrosensibilität hervorgerufen werden sollen, nicht bestätigt werden können. Entsprechende wissenschaftliche Studien konnte bislang keine ursächliche Wirkung von elektromagnetischen Feldern belegen.

„Elektrosensibilität“ wurde bisher als Krankheitsbild von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht anerkannt. Ebenfalls ist Elektrosensibilität noch nicht als Berufskrankheit (Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung) anerkannt worden.

Das Bayerische Landessozialgericht sah es als irrelevant an, ob die Beschwerden und Gesundheitsstörungen durch elektromagnetische Felder verursacht werden. Von Bedeutung für die Beurteilung des Rentenanspruchs sind die qualitativen und quantitativen Leistungseinschränkungen.

Die Schlafstörungen, die von der Klägerin beklagt werden, konnten im Schlaflabor ebenfalls nicht bestätigt und objektiviert werden.

Dass die Klägerin pflegebedürftig im Sinne der Sozialen Pflegeversicherung ist und den Pflegegrad 2 bestätigt bekommen hat, kann ebenfalls nicht für die Beurteilung einer Erwerbsminderung herangezogen werden. Ein Pflegegutachten stellt allenfalls eine zusätzliche Erkenntnisquelle dar, dient laut den Ausführungen des Bayerischen Landessozialgerichts jedoch nicht zum Vollbeweis für eine Erwerbsminderung im rentenrechtlichen Sinne.

Die Erwerbsminderungsrenten der Gesetzlichen Rentenversicherung

Das gesetzliche Rentenrecht unterscheidet bei den Erwerbsminderungsrenten zwischen der vollen und der teilweisen Rente wegen Erwerbsminderung.

Auf die Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht ein Anspruch, wenn ein Versicherter unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch weniger als drei Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (halbe Rente) liegt die tägliche Stundenzahl bei weniger als sechs Stunden.

Mit der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit wird für Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren wurden, zur Beurteilung der Erwerbsminderung noch ein Berufsschutz beachtet. Auf diese (ebenfalls halbe) Rente besteht dann ein Anspruch, wenn infolge Krankheit oder Behinderung im Vergleich zu einem ähnlich ausgebildeten Gesunden der bisher ausgeübte Beruf nur noch weniger als sechs Stunden ausgeübt werden kann.

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