Häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson
Wird die Pflege eines Pflegebedürftigen durch Pflegepersonen sichergestellt, leistet die Soziale Pflegeversicherung hierfür Pflegegeld.
Die Belastungen im physischen und psychischen Bereich sind bei einer Pflegeperson enorm hoch. Hier kann als Beispiel aufgeführt werden, dass oftmals eine Pflege rund um die Uhr erfolgen muss – die Pflegeperson also Tag und Nacht im Einsatz ist.
Um auch den Pflegepersonen eine Erholung zu gönnen, sehen die Leistungsvorschriften der Sozialen Pflegeversicherung eine sogenannte Verhinderungspflege vor.
Die gesetzliche Grundlage für die Gewährung von Verhinderungspflege ist § 39 SGB XI (Elftes Buch Sozialgesetzbuch).
Voraussetzungen
Verhinderung der Pflegeperson
Von der zuständigen Pflegekasse werden die Kosten für eine Verhinderungspflege – wird teilweise auch „Ersatzpflege“ bezeichnet – übernommen, wenn die Pflegeperson wegen Erholungsurlaub, Krankheit oder aus anderen Gründen die Pflege nicht durchführen kann.
Damit eine Verhinderungspflege gewährt werden kann, muss für den Pflegebedürftigen mindestens der Pflegegrad 2 (also einer der Pflegegrade 2 bis 5) bestätigt worden sein. Die Zuordnung zum Pflegegrad 1 begründet noch keinen Anspruch auf Verhinderungspflege.
Als „Pflegeperson“ im Sinne der Verhinderungspflege kommen nur ehrenamtliche, also nicht erwerbstätige Pflegepersonen in Betracht, z. B. Ehegatten, Angehörige und Bekannte. Sollte eine Pflegekraft eines zugelassenen Leistungserbringers oder eine Pflegekraft, die mit der zuständigen Pflegekasse einen Einzelvertrag (nach § 77 SGB XI) abgeschlossen hat, ausfallen, kann hierfür keine Verhinderungspflege geleistet werden.
Mindestdauer der Pflege
Eine Mindestdauer – Vorpflegezeit – ist für die Realisierung eines Leistungsanspruchs auf Verhinderungspflege für die Zeit ab 01.07.2025 nicht mehr erforderlich.
Um die Verhinderungspflege beanspruchen zu können, musste für Zeiten bis 30.06.2025 die Pflegeperson die Pflege mindestens seit sechs Monaten in der häuslichen Umgebung des Pflegebedürftigen durchführen; bis zum 30.06.2008 betrug die Frist noch zwölf Monate. Hier handelt es sich um eine sogenannte „Vorpflegezeit. Die Mindestdauer war nach der Intention des Gesetzgebers deshalb erforderlich, da der Urlaub der Pflegeperson erst nach einer gewissen Zeit gerechtfertigt werden kann. Zur Vorpflegezeit zählen bzw. zählten die Zeiten, für welche tatsächlich die Pflegetätigkeit erbracht wurde – und zwar unabhängig davon, ob hierfür durch die Pflegekasse auch Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit bereits erbracht wurden.
Bei einer wiederholten Beantragung der Verhinderungspflege war es jedoch nicht mehr erforderlich, dass wieder eine sechsmonatige Pflegezeit erbracht wird.
Dauer und Höhe der Kostenübernahme
Für die Zeit ab dem 01.07.2025 können Pflegebedürftige ab dem Pflegegrad 2 einen Leistungsbetrag von 3.539,00 Euro für die Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege flexibel einsetzen. Bei diesem für die Verhinderungs- und Kurzzeitpflege gemeinsamen Leistungsbetrag bzw. gemeinsamen Jahresbetrag handelt es sich um das sogenannte „Entlastungsbudget“.
Der Anspruch auf die Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege ist auf jeweils acht Wochen je Kalenderjahr begrenzt.
Leistungsbeträge und Leistungsdauer bis 30.06.2025
Die Verhinderungspflege bzw. Ersatzpflege wird für Leistungszeiträume bis 30.06.2025 für längstens sechs Wochen (42 Kalendertage) je Kalenderjahr geleistet.
Für die Verhinderungspflege stellen die Pflegekassen bereits ab dem Jahr 2025 einen Betrag von bis zu 1.685,00 Euro zur Verfügung. Bis zum 31.12.2024 betrug der maximale Leistungsbetrag 1.612,00 Euro.
Der Leistungsbetrag ist in allen Pflegegraden (ab Pflegegrad 2) einheitlich. Das heißt, dass es keine Differenzierung der Leistungsbeträge entsprechend des Pflegegrades gibt, der für den Pflegebedürftigen bestätigt wurde.
Anrechnung auf maximale Leistungsdauer
Die Verhinderungspflege wird auf die maximale Leistungsdauer von 56 Tagen (bzw. bis 30.06.2025 von 42 Tagen) nur dann angerechnet, wenn die Pflegeperson mindestens acht Stunden am Tag ausfällt. Ist die Pflegeperson weniger als acht Stunden am Tag verhindert, spricht man von der sogenannten stundenweisen Verhinderungspflege. In den Fällen der stundenweisen Verhinderungspflege kommt es nur zu einer Anrechnung auf den maximalen Leistungsbetrag.
Sonderregelung für Kinder/Jugendliche von 01/2024 bis 06/2025
Kinder und Jugendliche können bereits ab Januar 2024 von Leistungsverbesserungen profitieren, wenn diese dem Pflegegrad 4 oder Pflegegrad 5 zugeordnet sind. Für diese Versicherten wurden die Leistungsverbesserungen, welche für alle Pflegebedürftigen ab Pflegegrad 2 erst ab dem 01.07.2025 gelten, vorgezogen. Das heißt, dass für die Inanspruchnahme der Verhinderungspflege keine Vorpflegezeit von sechs Monaten mehr erforderlich ist und dass das Entlastungsbudget für die beiden Leistungen „Verhinderungspflege“ und „Kurzzeitpflege“ bereits in Höhe von 3.539,00 Euro beansprucht werden kann.
Ersatzpflege durch Verwandte und Verschwägerte
Ist die Pflegeperson, die die Verhinderungspflege erbringt, mit dem Pflegebedürftigen bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert oder lebt der Pflegebedürftige mit der Pflegeperson in häuslicher Gemeinschaft, wird vermutet, dass die Pflege nicht erwerbsmäßig ausgeübt wird. In diesem Fall werden die Kosten maximal bis zu dem Betrag übernommen, den die Pflegekasse an Pflegegeld – entsprechend des Pflegegrades – leisten müsste.
Da das Pflegegeld in der Zeit ab Januar 2025 347,00 Euro im Pflegegrad 2, 599,00 Euro im Pflegegrad 3, 800,00 Euro im Pflegegrad 4 und 990,00 Euro im Pflegegrad 5 beträgt ergibt sich – unter Zugrundelegung des sechswöchigen Leistungsanspruchs jährlich – ein maximaler Verhinderungspflegeanspruch, sofern dieser von diesem Personenkreis erbracht wird, in Höhe von:
- 520,50 Euro im Pflegegrad 2
- 898,50 Euro im Pflegegrad 3
- 200,00 Euro im Pflegegrad 4 und
- 485,00 Euro im Pflegegrad 5.
Die genannten Leistungsbeträge können auch für einen kürzeren Zeitraum als sechs Wochen/42 Kalendertage ausgeschöpft werden. Mit Urteil vom 12.07.2012 hat das Bundessozialgericht unter dem Aktenzeichen B 3 P 6/11 R ausgeführt, dass es keine Beschränkung des Anspruchs auf einen Tageshöchstbetrag in den gesetzlichen Grundlagen gibt. Allerdings kann die zuständige Pflegekasse einen geltend gemachten Erstattungsbetrag ablehnen, wenn die Grenze der Angemessenheit überschritten wird. Dies wäre z. B. dann der Fall, wenn der komplette zustehende Leistungsbetrag für eine Verhinderungspflege an einem Tag oder nur an wenigen Tagen ausgeschöpft wird.
Werden durch die bis zum zweiten Grad verwandte oder verschwägert Pflegeperson weitere Kosten – wie z. B. Verdienstausfall oder Fahrkosten – nachgewiesen, werden diese ebenfalls übernommen. Insgesamt dürfen die Kosten jedoch den Betrag von 1.685,00 Euro (Wert gültig ab 01.01.2025) nicht überschreiten.
Übertrag des Leistungsanspruchs von Kurzzeitpflege
Ab dem Jahr 2015 haben Pflegebedürftige die Möglichkeit, den Anspruch auf Kurzzeitpflege zu 50 Prozent für die Verhinderungspflege zu verwenden. Es kann damit ein Leistungsbetrag (bis zum 30.06.2025) von bis zu 843,00 Euro, sofern dieser Betrag im Rahmen der Kurzzeitpflege noch nicht „verbraucht“ ist, von der Kurzzeitpflege auf die Verhinderungspflege übertragen werden. Insgesamt steht damit ein maximaler Gesamtanspruch auf Verhinderungspflege von bis zu 42 Kalendertage und bis zu 2.528,00 Euro zur Verfügung.
Durch den Übertrag des Leistungsanspruchs auf Verhinderungspflege möchte der Gesetzgeber die Leistungsinanspruchnahme flexibilisieren und die Wahlrechte der Versicherten stärken.
Übertrag des Leistungsanspruchs auf Kurzzeitpflege
Es besteht auch die Möglichkeit, dass der Anspruch auf Verhinderungspflege für die Kurzzeitpflege eingesetzt wird. Im Falle des Übertrags des Leistungsbetrages von der Verhinderungspflege auf die Kurzzeitpflege kann der volle Leistungsbetrag von 1.685,00 Euro übertragen werden.
Im Falle eines vollständigen Übertrags des Anspruchs auf Verhinderungspflege auf die Kurzzeitpflege steht für die Kurzzeitpflege bis 30.06.2025 (hier beträgt der grundsätzliche Leistungsbetrag ebenfalls 1.854,00 Euro) ein Leistungsbetrag von 3.536,00 Euro zur Verfügung.
Weiterzahlung des Pflegegeldes
Wird Verhinderungspflege geleistet und hat der Versicherte einen Anspruch auf Pflegegeld, wird für die Dauer der tageweisen Verhinderungspflege (Pflegeperson fällt mindestens acht Stunden am Tag aus) das Pflegegeld für die Dauer von bis zu 56 Kalendertagen (bis 30.06.2025: 42 Kalendertage) in halber Höhe weitergezahlt. Für den ersten und letzten Tag der Verhinderungspflege wird das volle Pflegegeld geleistet.
Handelt es sich bei der Verhinderungspflege um eine stundenweise Verhinderungspflege (Pflegeperson fällt weniger als acht Stunden am Tag aus), wird das Pflegegeld in voller Höhe weitergewährt.
Hilfe und Beratung
Für alle Fragen zur Sozialen Pflegeversicherung steht Ihnen die Rentenberatung Helmut Göpfert gerne zur Verfügung. Hier erhalten Sie auch professionelle Unterstützung bei der Durchführung von Widersprüchen, Klage- und Berufungsverfahren.
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