Anspruch auf Kostenerstattung für gebrauchten Multifunktionsrollstuhl
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 08.03.2007 (Az. L 16 KR 204/06) entschieden, dass ein gebrauchter Rollstuhl in allen Merkmalen dem verordneten Hilfsmittel, wenn er die wesentlichen Funktionen erfüllt, entspricht.
Klagegegenstand
Der 1918 geborene Versicherte war mit einem Standardschieberollstuhl versorgt und lebte in einem Pflegeheim. Als er eine Versorgung mit einem Multifunktionsrollstuhl mit Sitz- und Rückenverstellung, Begleiterbremse und therapeutischer Kopfstütze sowie mit einem Winterfußsack für den Rollstuhl beantragte, lehnte die zuständige Krankenkasse den Antrag ab.
Zur Begründung führte die Krankenkasse auf, dass bei Unterbringung in der stationären Pflegeeinrichtung durch die Gesetzliche Krankenversicherung nur solche Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen sind, die nicht in die Sphäre der vollstationären Pflege fielen. Dies seien im Wesentlichen individuell angepasste Hilfsmittel, wie Hörgeräte und Prothesen, die ihrer Natur nach nur für den einzelnen Versicherten bestimmt seien. Außerdem sind dies Hilfsmittel, die der Befriedigung des allgemeinen Grundbedürfnisses, z. B. der Kommunikation oder Mobilität, sowie regelmäßigen Aktivitäten des Pflegebedürftigen außerhalb des Pflegeheimes – unabhängig vom Pflegepersonal – dienten. Das von dem Versicherten beantragte Hilfsmittel fällt jedoch in den Zuständigkeitsbereich der Pflegeeinrichtung.
Dazu führte der Versicherte auf, dass der beantragte Rollstuhl zur der Befriedigung des allgemeinen Grundbedürfnisses der Mobilität außerhalb des Pflegeheims bestimmt ist.
Nachdem auch das zuständige Sozialgericht die Klage abgewiesen hatte, musste das Bayerische Landessozialgericht in dem Fall entscheiden, wobei der Rollstuhl in der Zwischenzeit vom Versicherten bereits selbst angeschafft wurde.
Urteil
Das Landessozialgericht entschied, dass die Krankenkasse die Kostenübernahme zu Unrecht abgelehnt hatte und für den selbstbeschafften gebrauchten Rollstuhl ein Erstattungsanspruch besteht.
Rollstuhl für Aktivitäten außerhalb des Pflegeheimes
Begründet wurde die Entscheidung unter anderem damit, dass die Angehörigen des Versicherten diesen nach Beschaffung des gebrauchten Rollstuhls, fast täglich - insbesondere auch außerhalb des Gebäudes bzw. der Gartenanlage des Pflegeheimes - umhergefahren haben und der Rollstuhl somit nicht in die Zuständigkeit des Pflegeheimes fiel. Auch war die Versorgung mit dem vorhandenen Standardschieberollstuhl nicht mehr ausreichend.
Gesetz sieht keine Anspruch auf fabrikneue Hilfsmittel vor
Hier merkten die Richter insbesondere an, dass – sofern sich der Versicherte bei der Selbstbeschaffung zum Zwecke der Kostenminimierung sinnvoller Weise mit einem gebrauchten Rollstuhl anstelle eines neuen Hilfsmittels zufrieden gegeben hat - dem Anspruch auf Kostenerstattung nicht entgegen steht. Dem Gesetz ist ein Anspruch auf Versorgung mit ausschließlich fabrikneuen Hilfsmitteln ohnehin nicht zu entnehmen. Auf den Hersteller oder das Alter des Rollstuhls kommt es nicht entscheidend an.
Hilfe und Beratung
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