Warenregal

Waren- und Regalauffüller sind Beschäftigte

Das Hessische Landessozialgericht musste sich mit der Frage beschäftigen, ob Waren- und Regalauffüller selbstständig tätig sind oder in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen.

Mit Urteil vom 07.08.2007 (Az. L 8/14 KR 280/04) kam der 8. Senat des Landessozialgerichts Hessen zu dem Ergebnis, dass Waren- und Regalauffüller in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen und damit sozialversicherungspflichtig sind.

Allgemeine Information

Voraussetzung für das Vorliegen von Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung ist u. a., dass eine Beschäftigung ausgeübt wird. Eine Beschäftigung ist nach den gesetzlichen Vorschriften die nichtselbstständige Tätigkeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Liegen sowohl Tatbestände für eine Beschäftigung als auch für eine selbstständige Tätigkeit vor, ist zu beurteilen, welche Merkmale überwiegen. Bei einer selbstständigen Tätigkeit besteht nämlich keine Sozialversicherungspflicht.

Klagegegenstand

Das Hessische Landessozialgericht musste über eine Servicekraft entscheiden, die in Super- und Großmärkten als Servicekraft die Aufgabe hatte, Produkte der Firma Maggi und Nestlé in die Regale einzuräumen.

Die Servicekraft hat neben dem Regalservice auch die Entsorgung des Restmülls und die Erfassung der Warenbestände vorzunehmen und ggf. notwendige Ware nachzubestellen. Vom Marktleiter wird die verrichtete Arbeit bestätigt. Ebenfalls muss sich die Servicekraft bei Arbeitsbeginn und Arbeitsende in einem Buch am Markteingang mit Uhrzeit, Name und Datum eintragen. Die Servicekraft selbst beschäftigt zwei Minijobber (geringfügig Beschäftigte), die sie bei ihrer Arbeit unterstützen und auch im Krankheitsfall vertreten könnten.

Nach Ansicht des Auftraggebers liegt keine Beschäftigung und damit keine Sozialversicherungspflicht vor. Begründet wurde die Entscheidung unter anderem damit, dass keine Weisungsgebundenheit hinsichtlich des Einsatzortes, der Einsatzzeit und der Art der Tätigkeit vorliegt. Ein Weisungsrecht kann nicht aus der Tatsache hergeleitet werden, dass die Servicekraft ggf. Vorgaben der Marktleiter erfüllen muss. Außerdem besteht eine freie Arbeitszeiteinteilung, die lediglich durch die Ladenöffnungszeiten ausgerichtet werden muss. Ebenfalls spricht die Tatsache, dass die Servicekraft für andere Auftraggeber tätig wird und selbst auch andere Mitarbeiter einstellen kann, gegen den Tatbestand einer Beschäftigung. Ein unternehmerisches Risiko besteht darin, dass die Servicekraft ihr eigenes Auto zur Verfügung stellt und ein eigenes Büro unterhält.

Das zuständige Sozialgericht hatte bereits entschieden, dass die Servicekraft in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht und somit sozialversicherungspflichtig ist.

Urteil

Auch das Landessozialgericht Hessen hat bestätigt, dass die Servicekraft keine selbstständige Tätigkeit ausübt und bestätigte nochmals die Entscheidung des Sozialgerichts.

Als Begründung wird angeführt, dass es für die Abgrenzung einer nichtselbstständigen Arbeit von einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts darauf ankommt, ob ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis eines Arbeitnehmers gegenüber einem Arbeitgeber besteht.

Merkmale für Beschäftigungsverhältnis

Typisches Merkmal eines Abhängigkeitsverhältnisses ist die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers über Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der Tätigkeit. Dies gilt auch dann, wenn das Weisungsrecht des Arbeitgebers – insbesondere bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein kann.

Merkmale für selbstständige Tätigkeit

Die selbstständige Tätigkeit ist durch das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Daher ist es auch von Bedeutung, ob das eigene Kapital und / oder die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr auch eines Verlustes eingesetzt werden kann, der Erfolg des Einsatzes der sachlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist.

Die Entscheidung, ob eine Tätigkeit im Rahmen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit ausgeübt wird, ist danach zu entscheiden, welche Merkmale überwiegen. Bei dieser Beurteilung sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Hierzu zählen die vertraglichen Regelungen und die tatsächlichen Verhältnisse. Laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 22.06.2005 sind jedoch die tatsächlichen Verhältnisse ausschlaggebend, wenn diese von den vertraglichen Regelungen abweichen.

Beurteilung

Die Richter stellten fest, dass durch die Servicekraft Arbeiten ausgeführt werden, die in Supermärkten üblicherweise von entsprechenden Arbeitnehmer ausgeführt werden (z. B. Ware im Lager entgegenzunehmen, zu den Regalen zu transportieren, Müll aufräumen, …). Bei dieser Tätigkeit liegt auch keine wesentliche eigene Entscheidungsbefugnis vor, da ihr vorgegeben wird, wo und wie sie die Ware einzusortieren und zu behandeln hat.

Ebenfalls bejahten die Richter, dass die Servicekraft dem Direktionsrecht unterworfen ist. Es werden die zu verrichtenden Tätigkeiten vorgegeben und auch der zeitliche Rahmen hierfür. Auch besteht durch die Pflicht zur Eintragung der Zugangs- und Abgangszeit eine Überwachung der Servicekraft. Das Kontrollsystem ist dahingehend vorhanden, dass ein Außendienstmitarbeiter bzw. der Markt- oder Abteilungsleiter regelmäßige Besuche abstattet.

Die Servicekraft trägt auch kein unternehmerisches Risiko, da sie ein Entgelt auf der Basis einer pauschalen Vergütung erhält. Diese ist weder erfolgs- noch leistungsbezogen. Ein Einsatz eigener Betriebsmittel bzw. ein eigenes Kapital ist nicht vorhanden. Dass sie mit ihrem eigenen Kfz zur Arbeit fährt, unterscheidet sie nicht von vergleichbaren Arbeitnehmern.

Auch wenn einige Punkte für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, z. B. ein größeres Maß an Freiheit bzgl. der Einbringung der Arbeitszeit, wiegen das fehlende Unternehmerrisiko und die Eingliederung in die fremdbestimmte Organisation so schwer, dass diese nicht für eine selbstständige Tätigkeit sprechen.

Dass die Servicekraft auch Minijobber einstellt, kann nicht berücksichtigt werden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn hierdurch die Möglichkeit besteht, den Umfang der Tätigkeit wesentlich zu erweitern, was im zu beurteilenden Fall nicht gegeben war.

Wille der Beteiligten nicht ausschlaggebend

Letztlich führte das LSG noch aus, dass der Wille der Beteiligten, die eine selbstständige Tätigkeit als gegeben sahen, nicht ausschlaggebend ist. Dieser Wille kann aus einem tatsächlich  bestehenden Beschäftigungsverhältnis keine selbstständige Tätigkeit machen. Laut Urteil des Bundessozialgerichts vom 22.06.2005 ist nicht die subjektive Vorstellung der Beteiligten, sondern das Gesamtbild der Arbeitsleistung nach den tatsächlichen Verhältnissen entscheidend.

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