Berechnung

LSG Berlin-Brandenburg vom 28.06.2011, Az. L 31 R 1154/10

Beantragt ein Versicherter eine Altersrente, sollte die Rente etwa drei Monate vor Rentenbeginn beantragt werden, damit der Rentenbescheid zeitnah erstellt werden kann. Für die Berechnung einer Rente werden alle Beitragszeiten bis zum Beginn der Altersrente berücksichtigt. In der Praxis ergibt sich daher die Herausforderung, dass das Entgelt der letzten Monate vor Rentenbeginn bei Rentenantragstellung noch nicht genau bekannt ist. Die Rentenanträge sehen daher vor, dass der Rentenantragsteller seine Einwilligung geben kann, damit die letzten drei Monate im Rahmen einer Hochrechnung bei der Rentenberechnung angesetzt werden.

Insgesamt stehen den künftigen Rentnern zwei Szenarien zur Auswahl. Zum einen können sie die sich nahtlos an die Lohnzahlungszeit anschließende Rente beziehen, wenn der Rentenbescheid mittels Hochrechnung erstellt wird. Andererseits kann ein Rentenantragsteller auch auf die Hochrechnung verzichten. In diesem Fall wird die Meldung des Arbeitgebers über das beendete Beschäftigungsverhältnis abgewartet. Hier ist dann in jedem Fall gewährleistet, dass der Rentenbescheid anhand der tatsächlichen beitragspflichtigen Entgelte berechnet wird.

Seit der Rentenreform im Jahr 2008 ist das beitragspflichtige Arbeitsentgelt der letzten zwölf Monate für die Rentenhochrechnung relevant. Eine Neuberechnung ist nach Auslegung des Gesetzes nicht erforderlich, sofern die tatsächlich erzielten Einkünfte von dem ursprünglich im Rahmen der Hochrechnung berücksichtigten Entgelte abweichen und sich dadurch eine höhere Rente ergeben könnte. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg kam mit Urteil vom 28.06.2011 unter dem Aktenzeichen L 31 R 1154/10 nun zu dem Ergebnis, dass die Rentenkassen doch vom tatsächlichen Entgelt ausgehen müssen und daher eine Neuberechnung der Rente durchführen müssen, sofern sich hierdurch für die Versicherten eine höhere Rente ergibt.

Der Klagefall

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg musste über einen Fall entscheiden, in dem die Klägerin Anfang August 2009 eine Altersrente beantragt hatte, welche am 01.12.2009 beginnen sollte. Damit die Rente zeitnah berechnet und pünktlich ausgezahlt wird, entschied sie sich dafür, dass die Rentenkasse für die letzten drei Monate vor Rentenbeginn, also September bis November 2009, beim Arbeitgeber eine entsprechende Meldung anfordern darf. Für die Zeit von September bis November 2009 wurde vom Arbeitgeber auf Basis des zurückliegenden und zwölf Kalendermonate umfassenden Zeitraums ein hochgerechnetes Arbeitsentgelt von 6.880,00 Euro bestätigt. Nach Eingang dieser Meldung wurde eine Rente von knapp 680,00 Euro von der Rentenkasse berechnet und der Klägerin hierüber im Oktober 2009 ein Rentenbescheid erstellt.

Anfang November 2009 bestätigte der Arbeitgeber das tatsächlich erzielte und beitragspflichtige Arbeitsentgelt. Dieses betrug für die Klägerin, da noch ein Weihnachtsgeld geleistet wurde, nicht – wie hochgerechnet – 6.880,00 Euro, sondern 7.804,00 Euro. Noch bevor der Rentenbescheid rechtskräftig wurde, legte die Kläger Widerspruch ein und beantragte, dass bei der Rentenberechnung vom höherem Arbeitsentgelt ausgegangen und dieses herangezogen wird.

Der zuständige Rentenversicherungsträger wies den Widerspruch zurück und verwies auf die Rechtsvorschrift des § 194 und § 70 Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VI – wonach eine Rente nicht neu berechnet wird, wenn die tatsächlich erzielten beitragspflichten Einnahmen von der durch die Rentenkasse errechneten voraussichtlichen beitragspflichtigen Einnahmen abweichen. Zudem wies die Rentenkasse in ihrem Widerspruchsbescheid darauf hin, dass die Rentnerin bei Beantragung der Rente sich mit der Rentenhochrechnung einverstanden erklärte.

Die Klage vor dem Sozialgericht blieb für die Klägerin zunächst erfolglos, weshalb sie in Berufung zum Landessozialgericht ging.

Landessozialgericht sieht Verfassungswidrigkeit

Vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, der zweiten sozialgerichtlichen Instanz, erhielt die Klägerin Recht. Mit Urteil vom 28.06.2011 (Az. L 31 R 1154/10) entschieden die Richter, dass die Rente neu zu berechnen ist und dabei die tatsächlichen beitragspflichtigen Einnahmen für die Zeit von September bis November 2011 zu berücksichtigen sind. Die Auslegung der genannten Rechtsvorschrift durch die Rentenkasse ist verfassungsrechtlich zu beanstanden. Das Landessozialgericht bezog sich auf weitere höchstrichterliche Rechtsprechungen des Bundessozialgerichts, nach denen mit einer Hochrechnung der beitragspflichtigen Einnahmen nur erreicht werden soll, dass die Rente zeitnah zur Auszahlung kommen kann und der künftige Rentenbezieher zwischen der Erwerbstätigkeit und dem Rentenbezug ein nahtloser Übergang ermöglicht wird. Die Rente ist daher aufgrund des Grundrechts auf Schutz des Eigentums und des Gleichheitsgrundsatzes neu festzustellen, wenn aufgrund der Hochrechnung zu niedrige beitragspflichtige Einnahmen berücksichtigt wurden. Dies gilt auch deshalb, weil die Klägerin sich noch innerhalb der Widerspruchsfrist an den Rentenversicherungsträger gewandt hatte und mit einem Widerspruch eine Neuberechnung forderte.

Da der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung hat, wurde die Revision zum Bundessozialgericht – dem höchsten Sozialgericht Deutschlands – zugelassen.

Bundessozialgericht bestätigt grds. die Hochrechnung

Das Bundessozialgericht hat sich mit Urteil vom 12.12.2011, Az. B 13 R 29/11 R mit der Problematik beschäftigt.

Das höchste Sozialgericht Deutschlands bestätigte, dass gegen die Hochrechnung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen und die Regelung mit den gesetzlichen Vorschriften vereinbar ist.

Der Rechtstreit wurde jedoch erneut an das Landessozialgericht zurückgegeben. Es wurde nämlich festgestellt, dass der Kläger nur unzureichend aufgeklärt wurde, welche Konsequenzen mit der Hochrechnung verbunden sind. Die Formulierung in den Antragsformularen ist nach Ansicht der Bundesrichter nicht eindeutig. So kann durchaus beim nicht versierten Antragsteller der Eindruck entstehen, dass schon mit der nächstmöglichen monatlichen Rentenzahlung eine Korrektur erfolgt, im Rahmen derer die tatsächlichen Einnahmen berücksichtigt werden.

Stellt das Landessozialgericht nun fest, dass die Rentenantragsformulare missverständlich waren, hat der Kläger einen sogenannten sozialrechtlichen Wiederherstellungsanspruch mit der Folge, dass die Rente neu berechnet werden muss.

Tipp

Die Antragsformulare wurden zwischenzeitlich von den Rentenkassen angepasst und sind eindeutig. Das heißt, dass der o. g. Rechtsstreit nicht mehr erfolgversprechend ist, wenn die Hochrechnung des Entgelts für die letzten drei Monate vor Rentenbeginn beantragt wird. Betroffene, die von der Hochrechnung Gebrauch machen möchten, sollten sich im Vorfeld einen rechtlichen Rat einholen. Hierfür stehen registrierte Rentenberater zur Verfügung.

Generell gilt, dass Rentenbescheide von einem registrierten Rentenberater geprüft werden sollten. Nach den kontinuierlichen Medienberichten und auch aus den Erfahrungswerten der Rentenberater ist etwa jeder dritte Rentenbescheid fehler- oder lückenhaft. Durch eine Überprüfung besteht für alle Rentner die Gewissheit, dass der Rentenbescheid korrekt berechnet ist und keine finanziellen Einbußen in Kauf genommen werden müssen.

Kontaktieren Sie mit Ihrem Anliegen die registrierten Rentenberater Helmut Göpfert oder Marcus Kleinlein.

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