Bundessozialgericht

Bundessozialgericht vom 09.10.2012, Az. B 5 R 8/12 R

Mit Urteil vom 09.10.2012 hatte das Bundessozialgericht den Hinzuverdienst bzw. die Bewertung eines Arbeitseinkommens und Rückforderung einer Rente zu beurteilen, wenn ein Steuerbescheid später eingereicht wird.

In dem Verfahren ging es darum zu beurteilen ob die Rückforderung einer vollen Erwerbsminderungsrente rechtmäßig war, weil die Hinzuverdienstgrenze überschritten wurde (Az. B 5 R 8/12 R).

Zum Fall

Der zuständige Rentenversicherungsträger hatte einem Versicherten auf seinen Antrag hin eine volle Erwerbsminderungsrente als Zeitrente vom 01.09.2004 bis 28.02.2007 genehmigt. Der Versicherte hatte in seinem Rentenantrag angegeben, bis Februar 2004 als Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG und danach als Gesellschafter bzw. Kommanditist dieser Firma tätig zu sein, wobei vom 01.09.2004 bis 31.12.2004 nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften kein Gewinn erzielt wurde. Dies wurde auch von seinem Steuerberater mit entsprechender Bescheinigung nachgewiesen. Der Rentenbescheid des Rentenversicherungsträgers enthielt explizit den Hinweis, dass die Bewilligung der Rente aufgrund einer vorausschauenden Beurteilung des Arbeitseinkommens im Sinne von § 15 SGB IV erfolgt war, da laut der Erklärung des Versicherten sowie der Bescheinigung seines Steuerberaters ab 01.09.2004 der Verdienst die entsprechende Hinzuverdienstgrenze nicht überschritt. Weiter wurde im Rentenbescheid darauf hingewiesen, dass bei Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze kein Anspruch auf Rente für den entsprechenden Zeitraum bestünde und die Rente hierfür zurückzuzahlen sei.

In dem vorgelegtem Steuerbescheid des Versicherten für das Jahr 2004 wurde dann ein Gewinn in Höhe von ca. 27.000 Euro ausgewiesen. Der Rentenversicherungsträger nahm dann nach Einsichtnahme und Anhörung den Rentenbescheid für die Zeit vom 01.09.2004 bis 31.12.2004 zurück und forderte vom Versicherten die zu viel gezahlte Rente in Höhe von 4.200 Euro zurück (§ 45 SGB X und § 50 SGB X). Der Versicherte war damit nicht einverstanden und widersprach der Aufhebung bzw. Rückforderung, allerdings ohne Erfolg. Er klagte daraufhin beim Sozialgericht Frankfurt, welches der Klage auch statt gab. Die daraufhin eingelegte Berufung des Rentenversicherungsträgers beim Hessischen Landessozialgericht wurde dagegen mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Beklagte den Versicherten nicht darüber aufgeklärt habe, was man unter „Arbeitskommen von Selbständigen“ zu verstehen habe und wie dieses berechnet würde. Es wurde weder ein Hinweis im Bescheid angebracht noch wurden entsprechende Prospekte, Merkblätter oder Flyer beigelegt.

Zum Urteil des Bundessozialgerichts

Die eingelegte Revision des beklagten Rentenversicherungsträgers wurde mit Urteil vom 09.10.2012 zurückgewiesen, wobei ausgeführt wurde, dass zwar der Anspruch auf Rente für die Zeit vom 01.09.2004 bis 31.12.2004 geruht habe, da die Hinzuverdienstgrenze überschritten war, dass aber die zu viel gezahlte Rente nicht zurückgefordert werden könne. Erstens habe die beklagte Rentenkasse durch das Verwaltungsverfahren endgültig über die monatlichen Zahlungsansprüche des Klägers entschieden, weshalb eine Rückforderung bei entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I nicht möglich sei. Zweitens könne der Rentenbescheid auch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt aufgehoben werden, weshalb auch eine Rückforderung gem. § 50 Abs. 1 SGB X nicht in Frage komme. Auch der im Rentenbescheid aufgeführte Hinweis zur Erstattung überzahlter Rentenbeträge könne hier nicht zur Begründung für die Aufhebung des Bescheides herangezogen werden, da dieser Hinweis höchstens einen entsprechenden Vorbehalt zur Rückforderung darstelle aber nicht die Rücknahme oder Aufhebung des Rentenbescheides ermögliche.

Weiter führte das Gericht aus, dass der Rentenbescheid bereits wegen eines Verstoßes von Anfang an rechtswidrig gewesen sei und deshalb auch nicht nach § 45 SGB X hätte zurückgenommen werden dürfen. Da der Rentenbescheid zu einem Zeitpunkt erlassen wurde, an dem die Sach- und Rechtslage noch nicht ausreichend und endgültig geklärt war, wurde mit dem endgültigen Rentenbescheid gegen das Verbot eines vorzeitigen Verfahrensabschlusses verstoßen. Hierzu existierende Steuervorschriften schreiben ganz klar vor, dass ein entsprechendes Einkommen der Höhe nach erst nach Ablauf des Kalenderjahres tatsächlich festgelegt werden kann, in dem es zugeflossen ist (§§ 4 Abs. 1 Satz 1 u. 26 Abs.1 EStG). Die Höhe des entsprechenden Rentenanspruches hängt in jedem Fall von der Höhe des Einkommens ab, das der Kläger erzielt. Deshalb sind die jeweiligen Hinzuverdienste immer den Hinzuverdienstgrenzen des § 96 a Abs. 2 SGB VI gegenüber zustellen. Es ist zwar für den Gesetzgeber nicht einfach, das Erwerbseinkommen Selbständiger den individuellen Hinzuverdienstgrenzen gegenüberzustellen, da dies in aller Regel rechtliche und verwaltungspraktische Probleme aufwirft, der Rentenversicherungsträger hat aber mit dem § 96a SGB VI ein Mittel an der Hand, Anteile eines auf der Grundlage von Vorhersagen während des Jahres berechneten Jahresergebnisses auf lediglich theoretischer Basis auszuweisen. Hier sei aber zu beachten, dass eine theoretische Gewinn-Schätzung eines beauftragen Sach- oder Rechtskundigen von vorneherein nicht ausreichend ist.

Weiter führte das Bundessozialgericht hier aus, dass die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3 SGB X nicht gegeben seien und sich der Kläger auf Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsaktes berufen könne, da der Kläger den Erlass des Rentenbescheides nicht durch unrichtige Angaben ausgelöst hat. Angaben im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr.2 SGB X müssen in solchen Fällen immer identisch mit Tatsachen im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I gesehen werden. Die rechtliche Einordnung des Begriffes „Gewinn“ unter einkommenssteuerlichen Gewinnerzielungsvorschriften fällt nicht unter die Pflichten des Klägers, sondern muss von der zuständigen Behörde, also im vorliegenden Fall durch den Rentenversicherungsträger getroffen werden. Dem Kläger ist hier auch keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, da ihm die Unrichtigkeit des Bescheides – hier die falsche Ermittlung der Rentenhöhe mittels einer Vorausermittlung durch die Rentenkasse – nicht kenntlich werden konnte. Da hier auch keine Änderung von Verhältnissen vorliege, käme auch von vorneherein keine Aufhebung des Bescheides nach § 48 Abs. 1 SGB X in Betracht.

Das Verwaltungsverfahren zur Berücksichtigung von Einkommen, das aufgrund seiner charakteristischen Merkmale nur durch einen Steuerbescheid nachgewiesen werden kann, bringt hier über diesen Einzelfall hinaus grundsätzliche Fragen hervor, weshalb die Gremien der Deutschen Rentenversicherung Bund noch gesondert darüber beraten wollen.

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