Ersatzrollstuhl

Bundessozialgericht vom 12.09.2012, Az. B 3 KR 20/11 R

Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 12.09.2012 (AZ: B 3 KR 20/11 R) festgelegt, dass ein Behinderter, selbst wenn er auf die Benutzung eines Hilfsmittels (z. B. eines Rollstuhls) angewiesen ist, einen Ausfall dieses Hilfsmittels bis zu 10 Tagen hinnehmen muss, wenn ihm ein gleichwertiger Ersatz zur Verfügung steht.

Die Krankenkasse eines schwerbehinderten Mannes, der in einem Pflegeheim lebt, hatte für ihn die Kosten eines individuell angepassten „Allround-Elektrofahrstuhl“ übernommen, da ihm nur so eine selbständige Fortbewegung möglich war.

Ersatzrollstuhl, Ausfälle über Wochen

Die Krankenkasse übernahm zwei Jahre später sogar die Kosten für einen Spezial-Elektrorollstuhl mit einer integrierten Aufstehhilfe und einer Steuerung mit Joystick, da sich der Krankheitszustand des Mannes stark verschlechtert hatte.

Außer diesen beiden Rollstühlen befand sich auch noch ein „normaler“ von Hand zu bedienender Rollstuhl im Besitz des Klägers, der aber nur mit einer Hilfsperson genutzt werden konnte. Dieser Rollstuhl war auch nur dann im Gebrauch wenn die Mitführung eines Elektrorollstuhles nicht möglich war.

Der Kläger ließ jetzt seinen kaputten Allround-Rollstuhl reparieren, um für den Fall eines Ausfalles seines Spezialrollstuhles, der bereits wegen mehrere Defekte wochenlang nicht zur Verfügung stand, ein Hilfsmittel zu haben und weiterhin beweglich zu bleiben.

Nicht ökonomisch

Die Krankenkasse war nun aber nur bereit, die Kosten Reparatur des neueren der beiden Rollstühle zu übernehmen, da die Reparatur des zweiten Rollstuhles nicht ökonomisch gewesen sei.

Der Kläger argumentierte jedoch, dass er durch die Aufnahme einer Beschäftigung in dem Pflegeheim grundsätzlich zu jeder Zeit auf einen Elektrorollstuhl angewiesen ist und verlangte deshalb weiterhin die Übernahme der Reparaturkosten für seine beiden Rollstühle.

Widersprüchliche Rechtsmeinungen

Die erste Klage des Behinderten beim Sozialgericht Wiesbaden hatte Erfolg, da die Richter der Meinung waren, dass eine Zweitversorgung immer dann erfolgen muss, wenn die Krankenkasse eine Erstversorgung nicht ausreichend erfüllt hat. Dies wäre dann anzunehmen, wenn die Reparatur eines Hilfsmittels übermäßig lange dauere und die Krankenkasse den vorübergehenden Ausfall nicht adäquat ersetze, was im vorliegenden Fall gegeben war.

Anderer Auffassung hierzu war aber das Hessische Landessozialgericht bei dem zur obigen Entscheidung Berufung eingelegt worden war. Es war nämlich der Meinung, dass die zusätzliche Versorgung des Klägers  mit einem von Hand betriebenen Rollstuhl dessen Mobilität durchaus gesichert habe, und hob deshalb die Entscheidung des Sozialgerichts Wiesbaden auf.

Dem Kläger sei zwar die Bewegung dieses Rollstuhles selbst nicht möglich. Die Krankenkasse hätte jedoch höchsten bei einem Ausfall von mehr als vier bis sechs Wochen für einen entsprechenden Ausgleichen sorgen müssen, da der Kläger als Bewohner eines Pflegeheimes mit Pflegestufe III Anspruch auf die Hilfe durch eine Pflegeperson habe und es deshalb hier höchstens zu geringfügigen Beschränkungen gekommen sei.

Erfolg durch letzte Instanz

Dieser Argumentation folgte das dann in letzter Instanz angerufene Bundessozialgericht nicht, weil es nach Ansicht der Richter zwar grundsätzlich der Entscheidung der Krankenkasse zukommt wie reparaturbedingte Ausfallzeiten auszufüllen sind, dass dies aber nicht bedeuten kann, dass während solcher Ausfallzeiten nicht eine ausreichend und zweckmäßige Versorgung erfolgen muss.

„Dies gilt umso mehr, wenn ein Versicherter trotz seiner erheblichen Behinderung aktiv am Leben in der Gemeinschaft teilnimmt und sogar wie in dem entschiedenen Fall in bestimmten Maße einer Erwerbstätigkeit nachgeht“, argumentierten die Richter.

Höchstens zehn Tage

Ein Behinderter muss immer einen Ausfall seines Hilfsmittels bis zu einer gewissen Grenze hinnehmen, wobei die Richter hier auf den Einzelfall abstellten und ein oberstes Limit von bis zu zehn Tagen setzten. Es muss allerdings ein entsprechender Ausgleich vorhanden sein. Da der Kläger die Möglichkeit hatte seinen Schieberollstuhl von einer Pflegeperson bedienen zu lassen, ist hiervon auszugehen.

Es war jedoch nicht statthaft den Kläger wegen des mehrmaligen wochenlangen Ausfalles auf diese Möglichkeit zu verweisen, da die Krankenkasse gerade wegen der langen Ausfallzeiten ihrer Verpflichtung zur genügenden Versorgung nicht nachgekommen ist. Es war dem Kläger deshalb durchaus gestattet die Reparatur seines älteren Allround-Rollstuhls zu Lasten der Krankenkasse durchführen zu lassen.

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