Urteil

Schwerbehindertes Kind erhält kein Speedy-Tandem von Krankenkasse

Das Hessische Landessozialgericht hat mit Urteil vom 28.06.2012 unter dem Aktenzeichen L 1 KR 100/10 entschieden, dass von einer gesetzlichen Krankenkasse keine Kosten für ein Speedy-Tandem übernommen werden müssen bzw. dürfen.

Bei einem Speedy-Tandem wird ein Rollstuhl mit einem motorgestützten Fahrrad kombiniert. Dies erfolgt, indem ein Rollstuhl mittels einer Stange an ein Fahrrad gekoppelt wird, was ein Mitführen des Rollstuhls während des Fahrradfahrens ermöglicht.

Der Klagefall

In dem Klagefall, über den das Hessische Landessozialgericht zu entscheiden hatte, hatte ein 12-jähriger Versicherter (bzw. dessen Erziehungsberechtigten) geklagt. Der Junge leidet neben einer spastischen Cerebralparese auch an einer schweren Sehstörung. Nachdem ein Speedy-Tandem beantragt wurde, weil der Junge aufgrund seiner Behinderung einen Rollstuhl, auf den er angewiesen ist, nicht selbstständig fahren kann, wurde dieses von der Krankenkasse abgelehnt. Die entsprechende Verordnung für das Hilfsmittel stellte die behandelnde Kinderärztin aus. Die Krankenkasse begründete ihre Ablehnung damit, dass das Fahrradfahren nicht zu den Grundbedürfnissen gehöre, welche durch das beantragte Speedy-Tandem ausgeglichen werden könnten.

Die Kosten für das beantragte Speedy-Tandem belaufen sich auf zirka 3.700 Euro.

Das Landessozialgericht in Darmstadt gab der beklagten Krankenkasse Recht und entschied ebenfalls, dass kein Anspruch auf das beantragte Hilfsmittel besteht. Die Begründung der Klage, welche die Eltern hervorbrachten, ließen die Richter nicht gelten. Die Eltern begründeten ihre Klage damit, dass das Speedy-Tandem insbesondere für Fahrradausflüge ihres Sohnes mit der Familie und Freunden benötigt wird. Darüber hinaus kommt das beantragte Hilfsmittel in der Schule zum Einsatz. Außerdem wird die Integration des Jungen in den Kreis nichtbehinderter Jugendlicher durch das Speedy-Tandem gefördert.

Zwar sah das Hessische Landessozialgericht einen Anspruch auf die Versorgung mit Hilfsmitteln dann als gegeben an, wenn dadurch ein gewisser körperlicher Freiraum geschaffen werden kann. In dem zu entscheidenden Fall wurde dieser Freiraum in dem Umfang angesehen, den ein Jungendlicher mit dem Fahrrad zurücklegen kann. Jedoch wird durch das beantragte Hilfsmittel für den Jungen dies nicht ermöglicht, da das Ziel einer eigenständigen Fortbewegung nicht erreicht wird. Vielmehr könne der Kläger mit dem Speedy-Tandem nur passiv herumgefahren werden. Darüber hinaus ist auch für Personen unter 15 Jahren keine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr möglich. Die medizinische Rehabilitation wird durch das Speedy-Tandem also nicht ermöglicht.

Rechtsgrundlage

Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Hilfsmitteln durch die Gesetzliche Krankenversicherung ist § 33 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach haben Versicherte einen Anspruch auf Hilfsmittel (Hörhilfen, Körperersatzstücke, orthopädische Hilfsmittel und andere Hilfsmittel) wenn durch diese der Erfolg einer Krankenbehandlung gesichert wird, einer drohenden Behinderung vorgebeugt wird oder eine Behinderung ausgeglichen wird.

In einem ähnlichen Klagefall hat das Landessozialgericht Baden Württemberg in seinem Urteil vom 11.11.2008 (Az. L 11 KR 1952/08) ebenfalls einem Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung die Kostenübernahme eines Speedy-Bikes abgelehnt (s. hierzu: Rollstuhl-Fahrrad mit Motorantrieb wird von GKV nicht übernommen).

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